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Stand: 19.01.2015

Pressemitteilung

Augsburg

Wie dem Sterben mehr Leben gegeben werden kann

ACP mehr als nur eine medizinische oder rechtliche Frage für die letzten Lebenstage - Caritas wünscht sich Zugang zur Beratung für alle Menschen

 

Augsburg, 09.05.2022 (pca). Jeder Mensch muss sterben. Und jeder Mensch hat dazu seine eigenen Vorstellungen. Autonom möchte man am liebsten bis zum Lebensende bleiben und nicht fremdbestimmt sein. Zu diesem Ziel gehört es auch, dass im Dezember 2015 der Deutsche Bundestag den Paragraphen § 132 g im Sozialgesetzbuch V verabschiedete, wonach Einrichtungen der Eingliederungs- bzw. Behindertenhilfe und der Altenhilfe Versicherten in den Einrichtungen eine gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase anbieten können. Kernthema wurde damit vielfachst eine Beratung, die auf eine Patientenverfügung abzielte.

"Doch dieser Focus auf medizinische und rechtliche Aspekte der letzten Lebensphase schließt so vieles aus. Wer die ganze Lebenswirklichkeit eines Menschen in den Blick nimmt, weiß, dass der Mensch auch in sich Wünsche trägt und persönliche Empfindungen auch im Hinblick auf seinen Tod hat, dass ihm etwas wichtig ist, was er gerne noch haben oder erleben möchte", sagt Augsburgs Diözesan-Caritasdirektor Domkapitular Dr. Andreas Magg. Deshalb hat der Diözesan-Caritasverband das ACP-Projekt im Jahr 2019 gestartet und einen eigenständigen Weg entwickelt. 

Acht Einrichtungen der Altenpflege und der Eingliederungs(Behinderten)hilfe aus dem Bistum Augsburg nahmen daran teil. Eine Sonderheit des Projektes war, dass Sozialstationen, also ambulante Dienste, die der Gesetzgeber nicht vorsieht, miteinbezogen wurden. Finanziert wurde es vom Bischöflichen Fonds. Das Ergebnis dieses Projektes Advance Care Planning, zu Deutsch gesundheitliche Vorsorgeplanung, stellten nun die Verantwortlichen nach dessen Abschluss am Montag in Augsburg vor. Teil des Projektergebnisses sind auch klare Forderungen an die Politik. 

"ACP geht über eine hospizliche und palliative Begleitung des Menschen in seinem Sterbeprozess hinaus. Es geht darum, vorzeitig mit einem Bewohner, einem Klienten zu besprechen, wie er seine Lebensphase gestaltet wissen möchte, was ihm wichtig ist und das, wenn er es will", sagte Peter Hell, der Leiter des Referates Teilhabe und Pflege des Augsburger Diözesan-Caritasverbandes, in dem das Projekt fachlich angesiedelt war. 

"Den eigentlichen, weil wirklich eigenen Wunsch herauszufinden, auch welche Ängste ein Mensch hat, ob er sich seelsorgliche Begleitung wünscht, wie er sein Zimmer gestaltet haben möchte, welche Menschen er um sich herum möchte, wenn es zu Ende geht, ob er noch einen Vanillepudding haben möchte, "letztlich all das herauszufinden, was man tun kann, um dem Sterben mehr Leben zu geben und damit das Leben auch im Sterben gelingen kann, dazu braucht es eine gute Gesprächsbegleitung". 

Der Caritas, und das wurde bei dem Vorstellungsgespräch mehrfach deutlich, geht es um eindeutig personenzentrierten Ansatz. "Wir dürfen nicht aus dem Blickwinkel unserer Angebote in unseren Einrichtungen für die verschiedenen Lebenswelten denken. Es muss um den Willen und die Wünsche dieser Menschen selbst gehen", so Hell.  Das habe zur Folge, dass die Gespräche auch völlig ergebnisoffen geführt werden müssen. Niemand darf das Gespräch in eine Richtung drängen. Und wenn am Ende nichts schriftlich festgehalten wird, weil die beratene Person das nicht will bzw. (noch) alles für sich offenhalten will, "dann ist das auch okay". 

Damit beschrieb Hell eine Säule des Projektes, nämlich die Ausbildung der Gesprächsbegleitung. Gemeinsam mit der Katholischen Akademie in Regensburg hat der Caritasverband ein umfangreiches Ausbildungskonzept entwickelt mit einem umfangreichen theoretischen Anteil, einer intensiven Begleitung von 2 Gesprächsprozessen und mit sieben unbegleiteten, aber gemeinsam ausgewerteten Gesprächsprozessen zur praktischen Ausbildung. Jeweils zwei Personen aus den acht teilnehmenden Einrichtungen haben diese Ausbildung des Projektes mitgemacht. Gerade bei Menschen mit Einschränkungen, die nicht der Sprache umfänglich mächtig sind, erfordert die Gesprächsführung eine gute und feine Kenntnis der barrierefreien Kommunikation, d.h. der Leichten Sprache und der Unterstützten Kommunikation, die z. B. mit Piktogrammen arbeitet. 

Doch wo nur besprochen wird, nicht aber darauf geachtet wird, wie die Wünsche dann am Ende tatsächlich auch berücksichtigt und umgesetzt werden, nützen Gespräche nichts. Deshalb waren auch die Leitungen der acht Einrichtungen in das Projekt mit eingebunden, wie Susanne Tot, die die Koordination des Projektes innehatte, erklärte. "Es sind die Einrichtungsleitungen, die sicher stellen müssen, dass dort ACP bis hin zu Fragen der Dokumentation auf Dauer implementiert und damit Teil der Einrichtungskultur wird. Auch das muss erarbeiten werden und begleitet werden können", so Tot. 

Das dreijährige Projekt will Diözesan-Caritasdirektor Dr. Magg, Hell und die Projektkoordinatorin Tot nicht mit der Übergabe des Abschlussberichtes beendet wissen. Das Angebot der Beratung nur auf stationäre Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe zu beschränken sei eine Engführung. Schließlich müsse jeder Mensch sterben. Den Zugang durch Gesetz und entsprechender Finanzierung auf nur bestimmte Personen zu beschränken, sei nicht gerecht und schließe viele Menschen aus - u.a. die nicht in stationären Einrichtungen leben und die vielen Nichtversicherten. Daran geknüpft ist die Finanzierung. Da alle Menschen dieses Angebot erhalten sollen, müsse, so die Caritas, müsse es im Sinn einer Bürgerversicherung steuerfinanziert werden. 

In den USA gehört ACP zum Regelangebot ab 18 Jahren. Davon ist man in Deutschland weit entfernt. Caritasdirektor Dr. Magg und Referatsleiter Hell wollen nun ihre Erfahrungen in den Deutschen Caritasverband einbringen und dort ihre Forderungen vorstellen, damit dieser auf Bundesebene entsprechend weiterarbeitet. In Bayern ist auf jeden Fall der Augsburger Diözesan-Caritasverband auch für den Landes-Caritasverband bereits fachlich eingebunden in eine ministerielle Arbeitsgruppe. 

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