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Stand: 19.01.2015

Pressemitteilung

Diözesanrat

„Vom Flüchtling zum geschäftigen Schwaben“

Dass der Strom von Flüchtlingen und Asylbewerbern nicht abnimmt – das Bayerische Sozialministerium geht derzeit der jüngsten Entwicklung von etwa 400.000 Menschen aus - fördert die Bedenken. Der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Augsburg hat nun mit seiner Vollversammlung dazu ein klares Signal gesetzt. Nur eine sachliche und differenzierte Auseinandersetzung, eine klarere Darstellung der Gesamtproblematik, die Bereitschaft, die Probleme konkret anzupacken statt zu klagen, hohes ehrenamtliches Engagement und die Bereitschaft, die Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern auch als eine Bringschuld der einheimischen Bevölkerung zu verstehen, werden dazu beitragen, die Herausforderungen in guter Art und Weise bewältigen zu können. Zudem dürfe man die einheimischen sozialen Probleme nicht aus dem Blick verlieren.

Der Diözesanrat hatte sich für die Form einer Podiumsdiskussion entschieden, um die Flüchtlings- und Asylproblematik zu beleuchten und aufzuzeigen, was alles bereits geleistet werde und wie viel Gutes bereits in vorbildlicher Weise geschehe. Dr. Markus Gruber, Ministerialdirektor des Bayerischen Sozialministeriums, beleuchtete die Zuwanderungsraten. Neben den vielen Flüchtlingen und Asylbewerbern habe Deutschland eine legale Zuwanderung von zuletzt 465.000 in 2014. Deutschland sei nach den USA derzeit das attraktivste Zuwanderungsland. Außerdem brauche Deutschland angesichts der demographischen Entwicklung eine hohe Zuwanderung. Während man diese Zuwanderung gut überblicken und letztlich steuern könnte, sei dies bei den vielen Flüchtlingen und Asylbewerbern nicht möglich. „Die Zahlen schwanken ständig. Anfang Februar kamen über 800 an einem Tag nach Bayern, zwei Wochen später waren es nur 200.“ Dass man dabei an praktische Grenzen stoße, sei nur normal.

Schwabens Regierungspräsident Karl Michael Scheufele warb dafür, sich mit der Thematik sachlich auseinanderzusetzen. Auch nach seiner eigenen Erfahrung sei sie „wahnsinnig vielschichtig“. Dass in der Bevölkerung zunächst einmal Bedenken laut werden, „ist normal“. Aber er habe es schon mehrfach erlebt, dass viele, die zunächst Bedenken hatten, sich dann ehrenamtlich engagierten.

Wie sehr die Kirche sich diesen Herausforderungen stellt, erläuterte Diözesan-Caritasdirektor Domkapitular Dr. Andreas Magg, der auch Leiter der Hauptabteilung Soziales der Diözese Augsburg ist. Die Caritas habe ihr Personalstellen allein für die Asylsozialberatung von neun in 2014 auf 27 in 2015 aufgestockt. Die Diözese habe 3,8 Millionen Euro in ihren Haushalt eingestellt, um auch bauliche Maßnahmen für Unterkünfte zu veranlassen. Zudem werde eine Koordinationsdienststelle für Asylfragen geschaffen. Problematisch hingegen sei, dass entgegen dem offiziellen staatlichen Beratungsschlüssel von 1 Asylberater auf 100 Asylbewerber tatsächlich weit überschritten werde. „Inzwischen ist bei uns ein Berater für 240 Asylbewerber zuständig. Hinzu kommen lange Fahrtzeiten zwischen den dezentralen Unterkünften.“

Nicht wegzudenken ist das hohe ehrenamtliche Engagement. Scheufele, Dr. Gruber und Dr. Magg waren sich darin einig. „Ohne dieses Engagement von Ehrenamtlichen insbesondere in den Pfarrgemeinden könnten wir das Thema Asyl nicht bewältigen.“ Scheufele beobachtet „unheimlich viel Menschlichkeit in der Bevölkerung“. „Das Verständnis für Menschen in Not ist in unserer Bevölkerung sehr hoch“, freut er sich.

Wie sehr es darauf ankommt, dass eine Gemeinde und die Menschen vor Ort von sich aus die Problematik anpacken, das erläuterte Ulrich Müller, der Erste Bürgermeister der Marktgemeinde Wittislingen im Landkreis Dillingen, die im Januar 2014 ihre ersten Flüchtlinge zugewiesen bekam. Grundsatz des Gemeinderates sei es von Anfang an gewesen, dass wenn jemand Schutz suche, „wir ihm selbstverständlich diesen Schutz gewähren“. „Von Anfang wollten wir keine Parallelgesellschaft“, so Müller. Deutschkurse wurden deshalb angeboten, man half den Flüchtlingen bei Behördengängen oder bei Arztbesuchen. Auch half man dabei, Arbeit zu finden. Müller wünscht sich mehr Eigenständigkeit der Kommunen in ihren Bemühen, die Flüchtlinge und Asylbewerber in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Wir müssen anerkennen: Die Asylbewerber haben viel Mühen auf sich genommen, um ihr Leben gestalten zu können. Da wollen wir helfen.“ Die Gemeinde Wittislingen verfolge deshalb aus gutem Grund das Motto „Vom Flüchtling zum geschäftigen Schwaben“.

Müller darf sich dabei große Hoffnungen machen. Dr. Gruber vom Sozialministerium erläuterte, dass die Firmen, Handwerk und Industrie auf die Behörden zugehen sollen, wenn sie einen Flüchtling ausbilden und beschäftigen wollen. Es gebe heute schon großzügige Regelungen. „Es bewegt sich etwas.“

So lobenswert das ehrenamtliche Engagement auch ist, wie alle Diskussionsteilnehmer unterstrichen, so gibt es doch Grenzen. „Irgendwann ist deren Sprit alle“, wie es Wittislingens Bürgermeister Müller ausdrückte. Die Caritas weiß um dieses Problem. Deren Asylsozialberater beraten und begleiten schon die Ehrenamtlichen. Für Alexandra Weirather, Pfarrgemeinderatsvorsitzende in Fellheim und Initiatorin der dortigen Interessensgemeinschaft Migration, war deren Hilfe unersetzbar. Ihre Erfahrung lehrte sie nämlich, dass „die Ehrenamtlichen einen Betreuer brauchen.“ Auch das Sozialministerium kennt das Problem. Dr. Gruber kündigte an, dass das Ministerium schon bald konkrete Beschlüsse fassen werde, um das Ehrenamt künftig stärker zu unterstützen.

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Broschüre Flüchtlinge und Asylbewerber begleiten und unterstützen

Informationen, Fakten und Hilfsmöglichkeiten für Pfarrgemeinden, Ehrenamtliche und Helferkreise. Die Broschüre können Sie auch bestellen unter: migration@caritas-augsburg.de

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