URL: www.caritas-chemnitz.de/pressemitteilungen/rechtssicherheit-fuer-mutter-und-kind/513337
Stand: 19.01.2015

Vertrauliche Geburt

Schwangerschaft

Rechtssicherheit für Mutter und Kind

Die junge Frau hat vor wenigen Tagen per Kaiserschnitt ein Kind entbunden. Es ist gesund und munter, doch sie wird es nicht behalten. Franziska hat sich für eine vertrauliche Geburt entschieden. Die Caritas begleitet sie auf diesem Weg.

Schwanger! Das Gefühlskarussell dreht sich: Tausend Fragen schwirren durch den Kopf. Die Beraterinnen der Caritas helfen weiter – vertraulich und kostenlos.Schwanger! Das Gefühlskarussell dreht sich: Tausend Fragen schwirren durch den Kopf. Die Beraterinnen der Caritas helfen weiter – vertraulich und kostenlos.Caritas Regensburg

Das "Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt" ist seit 1. Mai diesen Jahres in Kraft. Es soll werdenden Müttern in Notsituationen die Möglichkeit geben, das Kind anonym in einer Klinik auf die Welt zu bringen und den Kindern das Recht einräumen, später ihre Herkunft zu erfahren. "Das ist ein Gewinn für alle Seiten. Sowohl für die Mutter, als auch für das Kind und die Adoptiveltern", sagt Pia Winter, Beraterin bei der Caritas-Schwangerschaftsberatung Weiden. Sie war eine der ersten Schwangerschaftsberaterinnen in Bayern, die nun die spezielle Fortbildung zur vertraulichen Geburt erhielten. Ihre Aufgabe wird es nun sein, betroffene Frauen zu betreuen, im Diözesan-Caritasverband Regensburg Netzwerke aufzubauen und ihre Kolleginnen zu schulen. "Wir werden an allen katholischen Beratungsstellen im Bistum mindestens eine geschulte Beraterin haben, um den Frauen schnell und unkompliziert zu helfen", so Winter.

Für Franzi kam die Schwangerschaft überraschend und ungewollt. Ihre morgendliche Übelkeit, die Gewichtszunahme - was nicht sein durfte, wurde verdrängt und ignoriert. "Meine Familie hätte meine Schwangerschaft niemals akzeptiert. Mein Vater hätte mich umgebracht." Ihre Stimme wird härter und am Ende versagt sie ihr ganz . Franzis Eltern und Geschwister sind alkoholabhängig und neigen auch zur Gewalt. Sie wollte nicht, dass ihr Kind unter diesen Umständen aufwachsen muss. Im Internet hat sie dann von der Möglichkeit der vertraulichen Geburt gelesen und ist dabei auf die Schwangerschaftsberatung der Caritas gestoßen.

Die Gründe für eine Geheimhaltung der Schwangerschaft können vielfältig sein, sagt Pia Winter. Sie reichen von kulturellen und religiösen Hintergründen bis hin zu Gewaltbereitschaft in der Familie. Prinzipiell könne das in allen sozialen Schichten und Altersklassen vorkommen. "In solchen Notsituation sind alle Frauen gleich", betont Winter. Die vertrauliche Geburt gibt den Frauen nun die Möglichkeit, sicher und mit medizinischer Hilfe ein Kind zu entbinden, aber gleichzeitig anonym zu bleiben.

Pia Winter ist eine der ersten Beraterinnen und die erste einer katholischen Schwangerschaftsberatungsstelle im Bistum, die die Schulung zur „Anonymen Geburt“ erhalten hat.Pia Winter ist eine der ersten Beraterinnen und die erste einer katholischen Schwangerschaftsberatungsstelle im Bistum, die die Schulung zur „Anonymen Geburt“ erhalten hat.Caritas Regensburg

Franzi war diese Anonymität sehr wichtig. Noch vor der Geburt ihres Kindes ging sie zur Schwangerschaftsberatung und ließ sich ausführlich beraten. Welche Hilfsangebote gibt es? Wie läuft die Adoption meines Kindes ab? Möchte ich wirklich eine vertrauliche Geburt durchführen oder möchte ich mein Kind lieber doch behalten? "Ich hätte mein Kind so gerne behalten, aber ich musste das tun, was für das Kind am besten ist", sagt sie. Seit sie sich für die vertrauliche Geburt entschieden hat, wird sie im Krankenhaus, beim Jugendamt oder bei anderen Behörden unter einem selbstgewählten Pseudonym geführt. Die Klinikrechnung und die Kosten für die Vor- und Nachsorgen übernimmt der Bund. Franziska musste ihren vollen und richtigen Namen nur der aufgesuchten Beratungsstelle mitteilen. In ihrem Fall war das die Caritas. Die Daten der Frauen, die eine vertrauliche Geburt durchführen lassen, werden beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) in Köln hinterlegt. "Die Beraterin ist die einzige, die den wirklichen Namen der Frau kennt. Das ist eine große Verantwortung, die wir gegenüber den Müttern, die sich in dieser absoluten Notsituation befinden, haben", so die Caritas-Beraterin Pia Winter.

"Derzeit befinden wir uns noch in der Aufbauphase. Außerdem ist vielen Frauen diese Möglichkeit noch nicht bekannt", sagt Winter. Über geknüpfte Netzwerke innerhalb der Caritas-Welt können die Fachberaterinen aus der Diözese Regensburg allerdings auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. "Wir halten engen Kontakt zur Caritas in Nürnberg, die schon mehrere Frauen betreut hat. Von den Kolleginnen dort können wir viel lernen", so Winter weiter.

Ein Schwangerschaft stürzt manche Frau in tiefe Konflikte und sogar an den Abgrund der Verzweiflung. Um sie und das Kind vor unüberlegten Handlungen zu bewahren, gibt es die Möglichkeit der anonymen Geburt.Ein Schwangerschaft stürzt manche Frau in tiefe Konflikte und sogar an den Abgrund der Verzweiflung. Um sie und das Kind vor unüberlegten Handlungen zu bewahren, gibt es die Möglichkeit der anonymen Geburt.Caritas Regensburg

Franzi hat sich von den Strapazen der Entbindung gut erholt. Sie sitzt auf einer kleinen Bank vor der Klinik. Immer wieder laufen Familien mit kleinen Kindern an ihr vorbei. "Vielleicht möchte mein Kind ja doch irgendwann wissen, wer seine leibliche Mutter ist?", denkt sie. Die Möglichkeit besteht: Ab seinem 16. Geburtstag kann das Kind beim BAFzA seine Herkunft erfahren. In Ausnahmefällen kann die Herausgabe der Daten allerdings verhindert werden, wenn sich beispielsweise die Mutter weiterhin in einer Notsituation befindet. Darüber muss dann ein Familiengericht entscheiden. "Dieses Recht auf die Herkunft ist das wirkliche Neue an diesem Gesetz", sagt Pia Winter. Bei einer anonymen Geburt kann das Kind den Namen der Mutter nie erfahren. "Wir hoffen, dass sich mehr und mehr Mütter in solchen Extremsituationen gegen das Ablegen ihres Kindes im Park entscheiden, und die vertrauliche Geburt als Alternative wählen", so Winter weiter.

In wenigen Stunden wird Franzi aus dem Krankenhaus entlassen. "Ich muss weitermachen und so tun, als wäre nichts gewesen. Aber ich weiß für mich, dass da draußen jemand ist, der zu mir gehört", sagt sie. Franzi könnte sich noch anders entscheiden: die Mutter hat gesetzlich das Recht, das Kind bis zu acht Wochen nach der Geburt wieder zu sich zu holen, solange das Wohl des Kindes nicht gefährdet ist. Zurück in ihrem Zimmer schreibt Franzi einen Brief. Der Kugelschreiber stockt nach fast jeder Zeile. Es fällt ihr sichtlich schwer, die richtigen Worte zu finden. "Ich möchte, dass mein Kind diesen Brief an seinem 16. Geburtstag erhält. Es soll wissen, warum ich es getan habe." Die erste Zeile lautet "An mein Kind, meinen liebsten Schatz!". Franzi wollte das Geschlecht des Kindes nicht erfahren. "Das wäre zu viel für mich gewesen", so die Mutter. Beim Verlassen des Krankenhauses gibt sie den Brief einer Krankenschwester. Er wird dem Kind und deren Adoptiveltern gemeinsam mit der Halskette mitgegeben. An der Kette ist ein fingernagelgroßer Nikolaus angebracht. "Ich habe ihn als Kind von meiner Oma bekommen. Er soll mein Kind beschützen", sagt sie. Ironie des Schicksals: Der heilige Nikolaus ist der Patron der Kinder.

 

Zusatz-Info 1: Vertrauliche Geburt und Caritas-Schwangerschaftsberatung im Bistum Regensburg:

Bisher wurden neben Pia Winter (Caritas-Schwangerschaftsberatung Weiden) zwei weitere Beraterinnen der Caritas geschult: Brigitte Ganslmeier (Landshut) und Claudia Delija (Deggendorf). In den kommenden Wochen und Monaten werden weitere Mitarbeiterinnen folgen. Im Januar 2015 wird eine interne Fachtagung aller Schwangerschaftsberaterinnen des Caritasverbandes stattfinden. Auf diesem Treffen werden künftige Aufgaben verteilt und Informationen ausgetauscht. Für das Jahr 2015 sind zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen zum Thema "vertrauliche Geburt" geplant.

  

Zusatz-Info 2: Caritas-Schwangerschaftsberatung im Bistum Regensburg

Die Caritas bietet diözesanweit Schwangerschaftsberatung an zwölf Orten: in Amberg, Cham, Deggendorf, Dingolfing, Kelheim, Landshut, Mainburg, Regensburg, Schwandorf, Straubing, Tirschenreuth und Weiden. Neben der psychosozialen Beratung bieten die Beraterinnen soziale und lebenspraktische Unterstützung. Einen Schwerpunkt bildet die Beratung und Hilfe vor, während und nach Pränataldiagnostik (vorgeburtliche Untersuchungen). Die Beratung ist kostenlos, unabhängig von Herkunft und Religion, vertraulich und auf Wunsch anonym. Vor der Geburt bis zum dritten Lebensjahr des Kindes können die Hilfen der Caritas-Beratungsstellen in Anspruch genommen werden.

Weitere Infos zu "Hilfen für Schwangere": www.caritas-schwangerschaftsberatung.de.

Copyright: © caritas  2025