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Stand: 19.01.2015

Pressemitteilung

Transnationaler Austausch

Eine Rückkehr kann Chancen für einen Wandel eröffnen

Das Mädchen spricht inzwischen perfekt Deutsch, war zwei Jahre in einem deutschen Kindergarten, hat drei Jahre lang eine deutsche Grundschule besucht, in der es lernte, selbständig zu werden und seine eigenen Fähigkeiten zu entfalten. In Äthiopien müssen 27 Prozent der fünf- bis 17jährigen Kinderarbeit leisten, entweder in der Landwirtschaft oder der Textilindustrie. Das Schulsystem ist nicht so gut entwickelt wie in Deutschland. Das Erziehungsziel ist nicht die Entfaltung der persönlichen Fähigkeiten, sondern Gehorsam gegenüber der eigenen Familie und so früh wie möglich zu heiraten, vielleicht auch schon mit 14 Jahren. Kind oder Jugendlicher sein zu können wie in Deutschland – das wird dann vorbei sein.  

Und dennoch zieht es viele Eltern wieder in ihr Heimatland zurück, sei es nach Russland, Georgien, in den Kosovo, Albanien oder den Irak, nach Äthiopien oder Nigeria. Sie müssen es, weil sie keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis in einem europäischen Land erhalten, oder sie wollen es, weil sich die Träume in Europa sich nicht so verwirklichten, wie sie es gehofft hatten. Bayern stellt allein in 2018 4 Millionen Euro für die Unterstützung und Förderung der Rückkehr von Zuwanderern bereit. Die Zahl jener, die das Angebot nutzen, stieg in den vergangenen Jahren.   

94 Rückkehrberater unterschiedlicher Organisationen und Initiativen aus verschiedenen Ländern Europas waren nach Augsburg zur Fachtagung Transnationaler Austausch III gekommen, um sich mit den Schwierigkeiten und Herausforderungen einer Rückkehr für Minderjährige auseinanderzusetzen. Der Caritasverband für die Diözese Augsburg hatte inzwischen zum dritten Mal zu dieser Konferenz nach Augsburg eingeladen. Ziel dieser Tagung war, Informationen über Arbeitsweisen in anderen Ländern zu erhalten, gemeinsam von den jeweiligen Erfahrungen zu profitieren und so Standards der Arbeit auf europäischer Ebene zu entwickeln. Auch Gäste aus den Rückkehrländern waren gekommen, um ihrerseits darüber zu berichten, wie sie Minderjährige – ob unbegleitet oder mit der Familie – nach einer Rückkehr begleiten, beraten und fördern können. Dass man hierbei nicht auf staatliche Organisationen bauen kann, darauf verwies Ferew Lemma von den „Nolawi Services Ethiopia“ aus Addis Abeba in Äthiopien. „Die meisten Angebote und Hilfen erbringen die Kirchen und Nichtregierungsorganisationen.“ 

Eine Rückkehr soll in Würde erfolgen, so der Grundsatz aller Rückkehrberater. Das setzt nicht nur eine gute Beratung und entsprechende Hilfen im Aufnahmeland voraus, sondern auch die Möglichkeit, im Herkunftsland wieder gut Fuß fassen und sich auch persönlich gut weiter entwickeln zu können. Nicht nur die Eltern dürften ihre Wünsche in der Beratung äußern, auch die Kinder müssen gehört werden, weil auch sie ureigene Rechte haben, wie mehrfach während der Konferenz betont wurde. Um die Interessen und Wünsche der Kinder feststellen zu können, steht das BIC-Konzept bereit. BIC steht für Best interests oft he Child, also für die Beachtung des Kindswohls. Dabei geht es nicht nur um die Sicherheit, auch im Herkunftsland keinen Hunger leider zu müssen, sondern auch um die persönliche – körperliche und psychische - Sicherheit. Es geht um stabile soziale Beziehungen wie auch um die Möglichkeit, die eigenen geistigen und sozialen Fähigkeiten weiterentwickeln zu können.  

Als entscheidenden ersten Schritt erachten Frans Bastiaens aus den Niederlanden und Stijn Kwanten von der Federal Agency fort he reception of asylum seekers (FEDASIL) in Brüssel, Flüchtlinge, Asylbewerber und ihre Familien so schnell wie möglich nach ihrer Ankunft über eine Rückkehr zu beraten, zumal dann, wenn keine Aussicht auf ein Bleiberecht besteht. „Sagen Sie den Kindern die Wahrheit. Wenn nicht, schafft sich das Kind seine eigene Wahrheit, und die kann schlimmer sein“, so Kwanten. Eine Rückkehr im Sinn einer bloßen Abschiebung meinte der Niederländer Bastiaens damit nicht. Es gelte darauf zu achten, dass die Rückkehr auch vom Familienverband mitgetragen wird und Chancen auf eine gute Versorgung, schulische Bildung und eine Unterstützung für Rückkehrer in der Heimat gegeben sind.  

Ohne eine gute zielgerichtete Beratung, die nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder miteinbezieht, geht es allerdings nicht. Dr. Thomas Hegemann von InterCultura München empfahl eine gezielte Beratungsstrategie, die darauf abzielt, zunächst immer die hierarchisch höchste Person in der betreffenden Familie als erste anzusprechen und dann mit ihrer Zustimmung jedes weitere Familienmitglied und damit auch jedes Kind in das Gespräch mit einzubeziehen. Dabei müsse aber immer auch der hierarchisch höchsten Person in der Familie klar sein, dass in einer Rückkehrberatung immer jedes Familienmitglied gehört werden muss. Mütter und Väter sollten dazu angeregt werden, sich selbst Gedanken darüber zu machen, was für sie die Rückkehr bedeutet und so auch dafür Verständnis zu entwickeln, wie ihre Kinder das für sich sehen. So könne man herausfinden, welche Einstellung, Vorstellung und mit welchen Ideen eine Familie und die Kinder in ihr Herkunftsland zurückkehren wollen.  

Ein Berater solle dabei helfen, jedem Familienmitglied die Gewissheit zu vermitteln, dass all die Erfahrungen, die in Europa gemacht wurden, das Kennenlernen einer modernen Gesellschaft auch Ressourcen sein können, das eigene Leben im Heimatland und die Gesellschaft zuhause mit- und neu zu gestalten. So könnten sich vor Ort die sozialen Strukturen mit den Rückkehrern zum Besseren verändern. „Es ist kein Drama, wenn sich Visionen und Wünsche nicht erfüllen. Das ist normal im Leben, das gehört dazu“, sagte Dr. Hegemann. Man müsse auch die Einsicht vermitteln, dass man Hoffnung haben darf, dass sich zuhause etwas ändert. „Es ist nämlich falsch zu glauben, dass sich nie etwas in einer Kultur wandelt. Denn jede Kultur ist ständig im Wandel.“ 

Folgende Organisationen waren bei der Transnational Conference III vertreten:

Danish Red Cross - Nidos & HIT Foundation  - Caritas Moscow - Sintem - SOLWODI Germany - Caritas Vienna - Nolawi Services Ethiopia - ZRB Western Bavaria -  Caritas International Belgium - FEDASIL - Dutch Council for Refugees - South Netherlands - International Organization for Migration (IOM) Belgium  - Caritas Augsburg - GIZ - Caritas Leipzig - Caritas Vienna - Central Foreigners Registration Office Bielefeld (ZAB) - ZRB Southern Bavaria - Caritas Austria - Foreigners Office Biberach - IPSO Germany - Departure Service (DT&V) - Dutch Ministry of Security and Justice  - Caritas Dortmund - Central Foreigners Registration Office Bielefeld (ZAB) - Caritas Feldkirch - International Organization for Migration (IOM) Nuremberg - Caritas Graz - InterCultura Munich  -  SOLWODI Germany - Dutch Council for Refugees Midwest Netherlands - Estonian Red Cross - German Red Cross - Caritas St. Pölten - Raphaelswerk Hannover - German Red Cross Leipzig - Caritas Krefeld - International Organization for Migration (IOM) The Netherlands - International Organization for Migration (IOM) Bern - Caritas Serbia - Danish Red Cross - Caritas Moers-Xanten - European Technology and Training Center (ETTC) - Federal Ministry of the Interior (BMI) Germany - Idia Renaissance - Micado Migration - Foreigners Office Tübingen - Caritas Leipzig - Coming Home Munich - Save the Children Germany - Caritas Innsbruck -  German Red Cross Dortmund - German Red Cross Freiburg - Bavarian Ministry for Labour and Social Affairs, Family and Integration - International Organization for Migration (IOM) Berlin - International Organization for Migration (IOM) Switzerland - Danish Refugee Council - German Red Cross Olpe - Caritas Georgia - Dutch Council for Refugees North Netherlands - Diakonia Düsseldorf  - European Commission.

 

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