Augsburg,
27.02.2007
(
pca
)
.
Kampftrinken, Komasaufen – unter vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen gilt
das als „cool“. Laut dem jüngsten UNICEF-Bericht waren 17 Prozent der befragten
deutschen Kinder und Jugendlichen bereits zweimal oder öfter betrunken gewesen.
Die Folgen sind oftmals alles andere als cool. Schlechte Noten, Schulabbrüche,
Arbeitslosigkeit und Konflikte mit dem Gesetz. Neun junge Männer hatten in den
vergangenen Monaten die Chance, ihre Probleme lösen zu können. Sie nahmen an
dem „Kurs für alkoholauffällige junge Menschen“ – kurz ‚Kaj’ genannt - teil, den
die Augsburger Caritas-Suchtberatung als Pilotprojekt ab November 2006 durchführte.
„Für alle Teilnehmer wie auch für
uns als Berater war der Kurs ein Erfolg“, resümierten die Augsburger
Caritas-Suchtberater Claudia Winter und Roland Weber, die den Kurs geleitet
hatten. Doris
Stuhlmiller
vom Landratsamt Augsburg hatte
dieses Pilotprojekt im ‚Arbeitskreis Sucht’, an dem der Landkreis und die Stadt
Augsburg, die Gerichtshilfe und die Suchtberatungsstellen beteiligt sind,
angestoßen. Die Finanzierung weiterer Angebote ist leider langfristig noch
nicht gesichert.
Bruno (20) (Name von der
Redaktion geändert) war nicht freiwillig dabei. Im Alkoholrausch hatte er nicht
nur Leute angepöbelt, Polizeibeamte beleidigt, sondern auch Sachbeschädigung
begangen und gestohlen. Zur Teilnahme an dem Kurs zwang ihn eine richterliche
Auflage. Brunos Leben war vor dem Kurs von starken Gefühlsschwankungen zwischen
tiefen Lebensängsten und
agressiver
Wut geprägt. Sein
Freundeskreis hatte ihn nur immer weiter
hinuntergezogen. Am zehnten Abend zeigt er
sich ruhiger, wenn er auch eingesteht, dass er manchmal noch mit sich kämpfen
müsse, damit er nicht zum Alkohol greift. Aber er spürt: „Ich habe durch den
Kurs Stärke gewonnen, ich bin viel ruhiger und nicht mehr so aggressiv. Ich
will Verantwortung übernehmen, schließlich werde ich bald Vater.“
Während des Kurses lernten er und
die anderen Teilnehmer nicht nur sehr viel über die verschiedenen Suchtmittel,
deren kurzfristigen und insbesondere langfristigen schädlichen Einflüsse auf
das Nervensystem sowie das Gehirn. Ein wichtiges Ziel war Weber zufolge auch,
dass die jungen Menschen lernten, sich in der Gruppe auszutauschen, von
Erfahrungen anderer zu lernen und mit sich selbst wie sich auch mit dem eigenen
Alkoholkonsum zu konfrontieren. „Wo stehe ich denn wirklich?“ Dieser Frage
wurde an jedem Abend breiter Raum geboten, so Winter.
Bei diesem regelmäßigen Austausch
zeigte sich für den Gymnasiasten Kai (16) (Name von der Redaktion geändert),
dass die beiden Suchtberater „Ahnung vom Leben haben und nicht nur etwas
vorschwätzen, was sie sich angelesen hatten.“ Ihm hatte seine Mutter den Kurs
zum Geburtstag geschenkt. „Ich war regelmäßig am Wochenende besoffen. Man war
halt nur cool, wenn man mehr als fünf halbe Bier getrunken hatte.“ Bei dem Kurs
hat er nun gelernt, „dass ich auch ohne Alkohol Spaß haben kann.“ Konsequent
verfolgt er nun das Ziel, gar nichts mehr zu trinken. Den Erfolg spürt er
schon. Er kann sich wieder länger konzentrieren. Das Lernen fällt ihm dadurch
leichter. Da stört es ihn wenig, dass seine ‚Kumpels’ auf seine Veränderung mit
„blöden Sprüchen“ reagieren.
Die Suchtberatung im
Caritasverband für die Diözese Augsburg:
Der Caritasverband für die Diözese Augsburg e.V. ist Träger von sechs
Suchtberatungsstellen mit ebenso vielen Außenstellen und zwei
Drogenkontaktläden in Donauwörth bzw. Kempten. Drei weitere
Suchtberatungsstellen sind Trägerschaft von Kreis-Caritasverbänden. Die
Aufgaben dieser Beratungsdienste umfassen neben der
Aufklärung, der
Information und der Prävention
u.a
.
niedrigschwellige
Kontaktangebote (z.B. Kontaktläden),
Mobile Dienste (vereinbarte aufsuchende Beratung, z.B. im Krankenhaus, oder
ungezielt aufsuchende Sozialarbeit, z.B.
Streetwork
),
Beratung, ambulante und stationäre Behandlungen, medizinische Rehabilitation,
Nachsorge, Einbindung der ehrenamtlichen Laienhelfer und der
Suchtkrankenhelfer, aufsuchende Suchtberatung in Vollzugsanstalten, enge
Vernetzung mit den anderen Diensten und Einrichtungen, Qualitätskontrolle- und -sicherung,
Betreutes Wohnen und Wohngemeinschaften, Fachliche Beratung, Arbeits- und
Beschäftigungsprojekte, Entwicklung von Selbsthilfe, Koordinierung, Deskription
von
Bedarfen
und Konzeptentwicklung.
Fast 6.000 Menschen suchen im Jahr die
Suchtberatungsstellen des Diözesan-Caritasverbandes auf. In über 45.000 Beratungsgesprächen
widmen sich die Suchtberater der Caritas den suchtabhängigen Menschen.