Augsburg,
07.08.2007
(
pca
)
.
Drei Viertel aller Pflegeheimbewohner haben einen „
gerontopsychiatrischen
Pflegebedarf“, weil sie an einer
demenziellen
Erkrankung leiden. Hierauf muss ihre Pflege abgestimmt sein. „Man hilft den
Betroffenen aber nicht, wenn man meint, unsere Ordnung und unser Denken als
gesunde Menschen ihnen überstülpen zu wollen“, sagt Christine Fricke vom
Caritasverband für die Diözese Augsburg e.V. „Wir müssen deshalb in unserer
Gesellschaft noch sehr viel dazu lernen und viele Vorurteile abbauen“, meint
die Fortbildungsreferentin der Caritas. Der katholische Wohlfahrtsverband führt
ein umfassendes Fortbildungs- und Weiterbildungsprogramm zur Ausbildung von ‚
gerontopsychiatrischen
Fachkräften“ durch. Damit entspricht
er den Empfehlungen des Bayerischen Landespflegeausschusses aus dem Jahr 2000.
Fricke erzählt
von einem Altenheim. Jeden Morgen ging eine alte verwirrte Frau im Haus herum und
klagte darüber, dass ihr Schrank kaputt sei. Die Pflegekräfte fühlten sich
anfänglich genervt und schickten die Frau mit der Erklärung, der Schrank sei doch
nicht kaputt, wieder zurück. Die Frau blieb irritiert. Im Zuge der Fortbildung lernten
aber die Pflegekräfte, dass die alte Frau nicht böswillig oder gar verrückt war.
„Sie war schlichtweg nur krank“, erläutert Fricke. Deswegen habe sie wie jeder
demenzkranke Mensch ein Anspruch darauf, dass man mit ihr entsprechend umgeht
und auf ihre Krankheit reagiert.
In dem
Altenheim lernte man also hinzu. Heute reagieren die Pflegenden gelassen, sie gehen
mit der Frau in ihr Zimmer, klopfen zweimal links und rechts auf den Schrank
und „reparieren“ ihn auf diese Weise. Die
betroffene Frau erlebt, dass ihre Welt, die für den Gesunden wie ein Chaos
erscheint, wieder in Ordnung ist. Und die Pflegekräfte fühlen sich zufriedener,
weil sie wissen, dass sie helfen konnten. Dieses Beispiel zeige, so Fricke,
dass
richtiges Pflegeverhalten für beide Seiten
Erleichterungen bringen könne. Für die Pflegenden bedeutet dieser Wechsel in
der Haltung und Einstellung gegenüber den
demenziell
erkrankten Menschen einen deutlichen Stressabbau.
Demenz, so die
Caritas-Mitarbeiterin, sei
eine
Krankheit wie Diabetes, Niereninsuffizienz oder Krebs.
Wie bei jeder anderen Krankheit auch, gelte
es deshalb sich auch in diesem Bereich fortwährend weiterzubilden. „Wie muss
ich die Pflege gestalten, um den Bedürfnissen dieser Kranken gerecht zu
werden?“
Das ist nicht
so einfach, da es bei fortschreitender Erkrankung oft zu unterschiedlichsten
herausfordernden Verhaltensweisen kommt. Ein Beispiel ist die häufig
vorkommende Tag-Nacht-Umkehr. D.h. diese Betroffenen dösen tagsüber, während
sie in der Nacht ständig wach und auf den Beinen sind. Versuche, sie gemäß dem
klassischen und gewohnten Stationsablauf ins Bett zu bringen oder gar
Schlafmittel zu geben, sind unnötig und wirkungslos. Vermieden werden diese
Versuche durch eine Tagesstrukturierung, die offen ist für die Bedürfnisse der
Bewohner. Hierzu gehören die Möglichkeit, morgens länger schlafen zu können,
ebenso wie die Einrichtung eines Nacht-Cafés, in dem sich die noch wachen
Bewohner aufhalten können, bis sie vielleicht doch gegen Mitternacht müde
werden. „Unsere Einrichtungen beweisen hier viel Kreativität und prüfen
ständig, wie die strukturellen Rahmenbedingungen umgestaltet werden können, um
den Bedürfnissen gerecht zu werden“, so Fricke.
Dass all diese
Fragen nicht einfach beantwortet werden können, zeigt allein schon der
Unterrichtsplan der Fort- bzw. Weiterbildung. Die Fortbildung umfasst 320
Stunden Theorie und 77 Stunden Praktikum, die Weiterbildung 400 Stunden Theorie
und 154 Stunden Praktikum. Der Unterrichtsstoff reicht vom Grundwissen über die
verschiedenen Demenzformen über praktische Fragen der Gestaltung der Pflege in
den Heimen bis hin zu rechtlichen Fragen. „Die Pflegefachkräfte, aber auch die
Heimleitungen investieren hierfür sehr viel Engagement“, sagt die
Caritas-Fortbildungsreferentin. Die Alten- und Pflegeeinrichtungen stellen sich
nicht nur inhaltlich auf den wachsenden
gerontopsychiatrischen
Pflegebedarf ein, sie müssen auch für die Freistellung der an den Fort- und
Weiterbildung teilnehmenden Pflegefachkräfte zusätzliche Personalkosten
schultern.
Für die
Umsetzung
gerontopsychiatrischer
Pflege fordern die
Empfehlungen des Bayerischen Landespflegeausschusses von den Einrichtungen,
eine
gerontopsychiatrische
Fachkraft vorweisen zu können.
Das ist, so Fricke, jedoch meist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das
Beispiel des Altenheims
zeige, dass bei
allen Mitarbeitern ein Verständnis für die Lebenswelt
demenziell
erkrankter Bewohner geweckt werden muss. Der Caritasverband bietet deshalb im
nächsten Jahr ein dreitägiges Seminar „Basiswissen Demenz“ für Mitarbeiter
aller Bereiche an. Die
gerontopsychiatrischen
Fachkräfte sollten nach Beendigung ihrer Weiterbildung ihr Wissen auch
dahingehend nutzen, selbst fortlaufend interne Fortbildungen durchführen.
Basis
info
rmation
über die unterschiedlichen Demenzformen:
Krankheitsformen:
Primäre Demenz:
Alzheimer-Demenz (60-70% der
Erkrankten);
vaskuläre
Demenzen (15-20%),
Lewy-Körper-Demenz
(15-20%) und verschiedene andere,
seltenere Arten.
Sekundäre Demenz:
So bezeichnet man kognitive
Einbußen, die durch Erkrankungen (beispielsweise Tumore) oder Vergiftungen
(Medikamenten- oder Alkoholmissbrauch) oder Infektionen (beispielsweise
Neuroborreliose
) hervorgerufen werden.
Verhaltensauffälligkeiten:
Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus; Verweigerung der Nahrungs- und
Flüssigkeitsaufnahme; Wandern und Weglaufen; Lärmen; Schreien;
Inkontinenz
; Aggressivität; Depression. Hinzu kommen:
starke emotionale Schwankungen; mangelnde Affektkontrolle; Verfolgungswahn;
Sinnestäuschung; räumlich-zeitliche Desorientiertheit; Sprach- und
Gedächtnisprobleme.
Kontakt:
Caritasverband für die Diözese Augsburg
e.v
.
Christine Fricke
Auf dem Kreuz 41
86152 Augsburg
Tel. 0821 – 3156 – 236
E-Mail:
fortbildung@caritas-augsburg.de