Kommentar
Ukraine-Krieg
Wir können etwas tun!
[März 2022] - Ohnmachtsgefühle sind eine verbreitete Reaktion auf die furchtbaren Nachrichten vom verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Doch niemand muss in seiner HIlflosigkeit verharren.
Markus Harmann
Obwohl es die Menschen in der Ukraine sind, die unter dem Krieg und den Granateinschlägen leiden, ist der Eindruck entstanden, Schockstarre und Ohnmacht seien zwischen Flensburg und München mindestens genauso groß wie zwischen Lemberg und dem Donbass.
Das ist nur scheinbar paradox. Ein Gefühl der Machtlosigkeit, des Ausgeliefertseins entsteht vor allem dann, wenn die Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt scheinen. Die Ukrainer können sich wehren. Aber was bleibt uns außer Friedensdemos, Solidaritätsbekundungen in den sozialen Netzwerken und dem Organisieren von Hilfstransporten? Können wir wirklich nur abwarten wie das Kaninchen vor der Schlange?
Wahr ist: Die extremen Ohnmachtsgefühle treffen auf eine Zermürbtheit, die die Menschen nach zwei Jahren Pandemie ohnehin empfinden. Das diagnostiziert das Kölner Rheingold-Institut in einer Studie. Die Deutschen reagieren zunehmend resigniert, antriebslos und entnervt auf ihre Lebensumstände. In einer Art Enttäuschungs-Prophylaxe dampfen viele ihre Sehnsüchte und Bedürfnisse ein, üben sich stattdessen in Genügsamkeit oder verharren in einer Abwartehaltung.
Dabei sind es gerade die Ukrainer, allen voran ihr Präsident Selenskij, die mit ihrem Freiheitswillen der Welt vor Augen führen, dass man sich seinem Schicksal nicht ergeben muss. Nein, es geht nicht darum, dass auch wir mutig sind wie die Kämpfer an der Front. Das erwartet niemand.
Aber unsere Rolle ist keineswegs auf die eines unbeteiligten Zuschauers reduziert. Wer an der Friedensdemo in Köln teilgenommen hat, der konnte die ungeheure Kraft der Gemeinschaft spüren, das Gefühl, gemeinsam doch etwas bewegen zu können - und sei es nur die Botschaft: Wir stehen zusammen hinter der Ukraine. Daraus ergibt sich für viele die Bereitschaft, Menschen aufzunehmen und zu versorgen, Geld zu spenden, Friedensgebete zu veranstalten oder einen Hilfstransport zu organisieren.
Es geht also darum, auch im schlimmsten Schock die Fähigkeit zur Selbstwirksamkeit nicht zu verlieren. Ich kann etwas Sinnvolles tun, zu jeder Zeit. Anteilnahme, Anpacken, Aktiv-werden ist eine Fähigkeit, die wir alle haben und nicht nur die Menschen in der Ukraine.
Das hat bereits das Beispiel der Flutkatastrophe gezeigt: Die ungeheure, von vielen nicht erwartete Solidarität war mehr als ein schönes Gefühl, mehr als eine bloße Übersprunghaltung - sie hatte Effekte in der realen Welt.
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