Kommentar

Wie am besten wirken?

Und die Armen?

Sucht_Haft12KNA / Oppitz

Ein Unbehagen ist spürbar. Verunsicherung mischt mit. Prof. Georg Cremer, Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, hat in Zeitungsartikeln und zuletzt mit einem Buch ("Armut in Deutschland") die öffentliche Debatte über Armut kritisiert. Sie sei skandalisierend und behindere dadurch die Armutsbekämpfung. Man solle sich auf die Fakten konzentrieren. Cremer behauptet, dass der "übertriebene Niedergangsdiskurs" bei der Mittelschicht Abstiegsängste und sinnlose Panik auslöse.

Das Unbehagen speist sich aus der Blickrichtung dieser Positionierung. Wer angesichts einer seit 2005 nur wenig gestiegenen Armutsrisikoquote (14,7 auf 15,5 Prozent) davon spricht, die Situation sei "einigermaßen stabil", erzeugt ein anderes Bild als jemand, der sagt, Armut habe sich verfestigt. Ist eine Armutsrisikoquote von 15 Prozent kein Skandal? Ist sie nach zehn Jahren auf diesem Niveau kein Skandal mehr? Befeuert eine solche Interpretation Abstiegsängste der Mittelschicht, oder führt der Gewöhnungseffekt zur Abstumpfung?

Es geht nicht nur um die Daten, es geht um Interpretationen und ihre Wirkung. Die müssten der Komplexität des Themas angemessen sein, so die These. Einfache Botschaften sind tabu? Nein! Man kann auch aus komplexen Daten einfache Schlüsse ziehen. Die der Spender versteht, die der Sozialarbeiter nachvollziehen kann, der täglich neu mit dem Elend der Armut konfrontiert ist. Und die der Arme versteht, der mit jedem neuen Armutsbericht in jeder neuen Legislaturperiode das Gefühl hat, es ändere sich nichts.

Die schlechteste Wirkung einer wissenschaftlichen Armutsdebatte wäre: "Alles nicht so schlimm!" Weil Politik sich dann zurücklehnt. Mitleid und Empörung sind nicht die schlechtesten Antriebsfedern für Veränderung. Darum muss es gehen.



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