Caritas in NRW – AKTUELL

Suchthilfe beunruhigt

Riskanter Konsum fliegt auf

Ein Mann berät ein PaarDCV / KNA

Bei den Beratungsstellen der Caritas im Rhein-Kreis Neuss haben sich 2020 im Vergleich zum Jahr davor doppelt so viele Angehörige gemeldet. Zwei Hauptgründe: Die Pandemie verstärkt den riskanten Konsum von Alkohol und Zigaretten und inzwischen fallen Suchtprobleme auch eher auf.

Innerhalb von Familien ist Sucht manchmal wie ein "Elefant im Wohnzimmer". Die Sucht eines Familienmitglieds ist häufig für alle offensichtlich, aber lange Zeit spricht niemand darüber. Wer seine Sucht bisher verheimlichen konnte, fliegt jetzt auf. "Vor dem Lockdown boten zum Beispiel Schule und Arbeit eine Menge Nischen, um heimlich zu konsumieren", sagt Angelika Schels-Bernards, Referentin für Suchthilfe der Caritas für das Erzbistum Köln.

Etliche Suchtberatungsstellen registrieren eine deutlich höhere Zeit der Beratungen von Angehörigen. Das ist ein Indiz dafür, dass auch problematisches Suchtverhalten an sich zugenommen hat. Gerade für Menschen, die nach einer Sucht abstinent leben, sei der Lockdown Gift gewesen, sagt Schels-Bernards. "Frustration und Einsamkeit, aber auch Kurzarbeit oder Entlassungen, können Menschen zurück in die Abhängigkeit treiben." Wer tagsüber schon trinkt und keine Tagesstruktur hat, könne im Lockdown ein unkontrolliertes Suchtverhalten entwickeln.

In allen Caritasverbänden macht man sich Sorgen um die Folgen des Anstiegs der Beratungsnachfragen. Bei den telefonischen Anfragen haben die Kapazitäten in Spitzenzeiten bei Weitem nicht ausgereicht. Aber dies ist ein generelles Problem: Auf einen Ersttermin musste auch vorher schon drei bis vier Wochen gewartet werden. Jetzt nach dem Lockdown muss leider befürchtet werden, dass noch mehr Menschen die Beratungsstellen aufsuchen. Und das würde das System absehbar an Kapazitätsgrenzen führen.

Caritas und Diakonie sind zusammengenommen Träger von 90 Prozent der 170 Sucht- und Drogenberatungsstellen in NRW. Angesichts der Pandemie warnt die Caritas vor einer bröckelnden Finanzierungsgrundlage. Die Suchtberatung wird durch die Kommunen refinanziert, in der Regel pauschal und unabhängig von der Auslastung. Zu befürchten ist, dass Kommunen wegen der finanziellen Ausfälle der Pandemie "an der falschen Stelle" sparen. Mit der Folge, dass Suchtkranke dann noch länger auf eine Beratung warten müssen.