Kommentar
Hartz IV
Rechtswidrige Sanktionspraxis
[Dez. 2019] - Sanktionen gegen Langzeitarbeitslose sind teilweise verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Leistungsempfängern dürfen maximal 30 Prozent der Unterstützung gestrichen werden - und nicht mehr wie bislang in extremen Fällen.
Dr. Frank Johannes Hensel
Eine richtungsweisende Entscheidung. Der Sozialstaat darf seinen Bürgerinnen und Bürgern nicht die notwendige Unterstützung für Miete, Essen oder Strom streichen, denn dadurch wird das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gefährdet. Kürzungen finanzieller Mittel auf dem ohnehin schon niedrigen Niveau der Sozialhilfe verschärfen die Armut und schwächen den gesellschaftlichen Anschluss.
Die Sozialgesetzgebung ist im Bereich der Hartz-IV-Regelsätze darauf angelegt, Menschen mit Existenzängsten auf den Beinen zu halten, und eben nicht geeignet, sie über Strafmaßnahmen zusätzlich ins Straucheln zu bringen. Aber dürfen die Jobcenter denn gar keinen Druck ausüben auf Menschen, die ihre Termine versäumen oder eine zumutbare Arbeit verweigern? Doch, rechtlich dürfen sie das - aber nicht mit existenzieller Bedrohung. Es gibt übrigens keine klaren Belege dafür, dass die bisherige Sanktionspraxis hilfreich ist. Wer rigide abstraft, entkoppelt Leistungsempfänger noch weiter und verliert auch den Rest von Kooperationsbereitschaft.
Langzeitarbeitslose tun sich gerade deshalb schwer, eine reguläre Arbeit zu finden, weil sie zum Beispiel der deutschen Sprache nicht mächtig genug sind, weil sie plötzlich alleinerziehend sind, weil sie gesundheitlich so angeschlagen sind, dass ihnen eine ordentliche Verständigung mit dem Jobcenter nicht gelingt.
Eine drastische Strafmaßnahme gegenüber einer jungen alleinerziehenden Mutter, die noch nicht lange in Deutschland ist, unterstützt diese nicht darin, schnell einen Job zu finden. Dabei muss doch das Anliegen sein: Wie kann das Jobcenter Menschen helfen, am Arbeits- und Gesellschaftsleben teilzunehmen? Welche Möglichkeiten der Motivation und Kooperation können gefunden werden?
Leider sind wir von diesem Miteinander von Arbeitssuchenden und den vermittelnden Jobcentern oft weit entfernt. Arbeitslose erleben Qualifizierungsmaßnahmen häufig als unpassend. So haben nicht wenige das Gefühl, dass sie zwar aus der Statistik herausfallen, wirklich geholfen ist ihnen damit aber nicht.
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