Interview

Krankenhaus-Engagement

Not lindern

Porträt: Walter BorsWalter Bors ist Geschäftsführer der Malteser Rhein-Sieg gGmbH, die das Malteser Krankenhaus St. Hildegardis in Köln und das Malteser Krankenhaus Seliger Gerhard Bonn/Rhein-Sieg betreibt.Eva Keller

Caritas in NRW: Armut macht krank. Die Landesgesundheitskonferenz NRW möchte die Situation von Menschen in prekären Lebenslagen verbessern. Was passiert, wenn sich illegale Zuwanderer, Wohnungslose oder erwerbslose Menschen ohne Krankenversicherungskarte an das Malteser Krankenhaus St. Hildegardis wenden?

Walter Bors: Menschen in Not muss geholfen werden, da gibt es keine Diskussion. Für Fälle, in denen Menschen ohne Krankenversicherung medizinische Hilfe benötigen, gibt es seit etlichen Jahren die Malteser Migranten Medizin (MMM), eine Anlaufstelle zur Akutversorgung. Die hat ihre Räumlichkeiten hier auf dem Gelände des Krankenhauses. Aber auch wir als Krankenhaus drücken uns nicht vor der Verantwortung und helfen: Wenn beispielsweise ein junger Mensch mit einem fortgeschrittenen Tumor anklopft, dann können wir nicht sagen: "Pass mal auf, du bist nicht versichert." Er wird also vernünftig versorgt, und dann versuchen wir aber auch, die Kostenfrage zu klären. Wenn wir am Ende auf Kosten sitzen bleiben, weil sich kein Kostenträger findet, dann müssen wir als Krankenhaus das tragen - und das tun wir auch. Das gehört zu unserem Auftrag, das ist Teil unserer Haltung als katholisches Krankenhaus.

Caritas in NRW: Wie finanziert sich die Malteser Migranten Medizin (siehe auch Artikel auf Seite 6, die Red.)?

Walter Bors: Die Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich, die Räume und die Betriebskosten gehen auf Kosten der Malteser. Ansonsten erhalten wir Spenden. Arzneimittel, Implantate, Fremd-Diagnosen, Blutkonserven - alles das wird uns in jedem Fall extern in Rechnung gestellt und belastet unser Krankenhaus-Budget zusätzlich. Sie wissen, dass die finanzielle Situation der Krankenhäuser in Deutschland am Limit ist. Dafür brauchen wir also Sponsoren und Spender. Etwa die Hälfte der externen direkt zurechenbaren Kosten können wir so auffangen.

Caritas in NRW: Gibt es Grenzen der sozialen und humanitären Hilfe?

Walter Bors: Wir helfen in dem Wissen, dass es Einzelfälle bleiben. Das kann man ja nicht planen, denn jedes Mal treffen wir eine Einzelfallentscheidung. In einem Jahr waren es mal 30 Patienten, ein anderes Mal 18. Vor zwei Jahren hatten wir einen Patienten, der fast drei Monate auf der Intensivstation lag. Das hat unser Krankenhaus sehr viel Geld gekostet. Trotzdem kann man auch in einem solchen Fall nicht sagen: "Jetzt geht’s nicht mehr weiter." Wir operieren beispielsweise seit vielen Jahren für ein Kinderdorf, in dem Kinder aus Kriegsgebieten in Afrika zu uns kommen. Das sind oft gravierende Verletzungen, da geht es zum Beispiel um plastische Chirurgie auf höchstem Niveau. Aber: Das sind Einzelfälle. Wir sind kein Katastrophenkrankenhaus, das die ganzen Problemfälle aus Kriegsgebieten übernimmt. Wir können nicht Hunderte kostenlos operieren und versorgen, wir können nicht alle Flüchtlinge, die zu uns kommen, kostenlos behandeln. Das lässt die Kostensituation nicht zu. Wenn aber in vielen Krankenhäusern viele Einzelfälle behandelt werden, kann man Not lindern. Das ist - auch aus meinem persönlichen Glauben heraus - unser kirchlicher Auftrag. Weggucken ist keine Lösung. Ich spreche hier über Verantwortung, die jeder an seinem Platz hat. Deswegen bin ich übrigens auch entschieden gegen einen leichtfertig provozierten Ausverkauf von katholischen Krankenhäusern - aber das ist ein anderes Thema.

Caritas in NRW: Gutes tun - und darüber reden, heißt es in den Public Relations. Eignet sich Ihr soziales Engagement für Imagewerbung?

Walter Bors: Manchmal veröffentlichen wir einen Bericht - beispielsweise im Zusammenhang mit den Kindern aus Kriegsgebieten, die wir hier operieren. Das hilft bei der Spendenwerbung. Auch die MMM betreibt Öffentlichkeitsarbeit und wirbt um Spenden. Doch eigentlich bin ich der Meinung, dass man solche Dinge in erster Linie um der Menschen willen tun soll. Wenn humanitäres oder soziales Engagement Teil einer Marketingstrategie wird, wird es ziemlich sicher profanisiert und banalisiert. Mir ist in der heutigen säkularisierten Welt eine katholische Grundhaltung in den Häusern wichtig; dass die Mitarbeiter einen ernsthaften Blick für Not haben. Diese Grundhaltung muss das Haus prägen, aber sozusagen in der Stille wirken.

Wenn wir uns in besonderer Weise um Sterbende kümmern, berührt das die Angehörigen, egal, ob sie Christen, Muslime oder Atheisten sind. Im Malteser Krankenhaus in Bonn - wo ich ja auch verantwortlich bin - gibt es eine Geburtsstation. Für uns ist es selbstverständlich, dass wir uns bei Totgeburten besonders um die Mütter kümmern, dass die Kinder würdevoll beigesetzt werden, dass man den Familien die Möglichkeit gibt, sich zu verabschieden. Das wird sehr gern angenommen von Menschen aller Glaubensrichtungen und Kulturen. Das für Werbung auszuschlachten oder zu instrumentalisieren verbietet sich geradezu. Hier wirkt die Haltung.

Caritas in NRW: Wie unterscheiden Sie sich darin von privaten Krankenhäusern?

Walter Bors: Ich bin mir sicher, dass auch die privaten Träger um diesen humanitären Ansatz wissen und den ganz nüchtern auch mit in ihr Portfolio aufnehmen. Sie haben auch einen Andachtsraum, vielleicht sogar ein spirituelles Angebot für Katholiken, Evangelische und Muslime. Aber ob sie es so intrinsisch leben als wirklich ernst gemeinte Haltung und es nicht nur Instrument und Kalkül ist, kann ich nicht beurteilen.

Caritas in NRW: Viele Krankenhäuser sind wirtschaftlich gefährdet, schreiben rote Zahlen. Muss man sich soziales und humanitäres Engagement erst einmal leisten können?

Walter Bors: Basis eines jeden modernen Krankenhauses ist eine qualitätsorientierte Medizin auf höchstem Niveau. Man muss zeit- und sachgerecht Ressourcenverantwortung übernehmen. Das heißt auch, dass nicht jede unwirtschaftliche Struktur aufrechterhalten wird, sondern man muss miteinander einen Weg suchen, hochspezialisierte Leistungen wirtschaftlich anzubieten. Und im Grunde gilt das auch für soziales Engagement, und so geschieht es auch: Wenn wir voll belegt sind und einen Patienten ohne Versicherung stationär aufnehmen müssten, dann versuchen wir, ihn anderswo unterzubringen. Wir überlassen ihn nicht sich selbst, versorgt wird er auf jeden Fall.

Caritas in NRW: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Markus Lahrmann.



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