Caritas in NRW – AKTUELL
Wohlfahrtspflege warnt
Krise verstärkt Suchtgefahren
[Dez. 2020] - Kontaktbeschränkungen, Homeoffice, Familienstress und Sorge um den Arbeitsplatz – die Belastungsfaktoren aufgrund der Corona-Krise sind für viele Menschen hoch. In diesen schwierigen Zeiten rauchen und trinken die Menschen in Deutschland mehr, das hat eine aktuelle Forsa-Umfrage ergeben. In der Krise steigt die Suchtgefahr.
Mindestens zwei Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen haben Alkoholprobleme.Foto: Pixabay
Während des ersten Lockdowns im Frühjahr mussten viele der 173 Beratungsdienste in NRW ihre Face-to-Face-Arbeit einschränken. Mit großem Engagement und enormer Kreativität der Mitarbeitenden gelang es Suchtberatungsstellen, ihre Unterstützungsleistungen und Beratungen weitgehend aufrechtzuerhalten. Als die Beratungsstellen die Kontakteinschränkungen umsetzen mussten, sind die Sozialarbeiter auf Telefonberatung umgestiegen. Für manche Klienten war der Kontakt sogar leichter als vorher. Andere verlegten die Beratungen ins Freie - Spaziergänge erwiesen sich als niedrigschwellige Methode, die dringend notwendigen persönlichen Kontakte zu ermöglichen. Parallel wurde die Onlineberatung intensiviert.
"Wir wissen, dass es in dieser Zeit eine ansteigende Suchtproblematik im häuslichen Umfeld gegeben hat", berichtet Ralph Seiler, Vorsitzender des Arbeitsausschusses Sucht der Freien Wohlfahrtspflege. Untersuchungen haben gezeigt, dass mehr Alkohol gekauft wurde. Aus den Gruppen der Suchtselbsthilfe - beispielsweise des katholischen Kreuzbundes - wurde berichtet, dass im Frühjahr fast alle Treffen ihrer Selbsthilfegruppen hätten ausfallen müssen und dies zu vielen Problemen und natürlich auch Rückfällen geführt habe. All das macht den Experten jetzt Sorge mit Blick auf den Winter. Soziale Kontrolle am Arbeitsplatz, ein strukturierter Tagesablauf, Entlastung bei der Kinderbetreuung - all das sind Faktoren, die einen positiven Einfluss auf das Suchtverhalten haben und die jetzt wieder eingeschränkt werden. Einsamkeit aufgrund von Kontaktsperren, die dunkle Jahreszeit, aber auch die Dynamik der Ängste in der Pandemie, dazu Sorgen um den Lebensunterhalt und die Zukunftsperspektiven würden ziemlich sicher dazu führen, dass die Suchtproblematik steige, erklären Suchtexperten. Das gilt für zunehmenden Alkoholkonsum im häuslichen Umfeld wie auch für problematischen und pathologischen Internet- und PC-Gebrauch und die Glücksspielsucht.
Die Suchthilfe beklagt, dass ihre Arbeit oft unterhalb des Radars der öffentlichen Aufmerksamkeit läuft und zudem aufgrund klammer Kassen in den Kommunen gefährdet ist. Die Refinanzierung sei als freiwillige Leistung der Kommunen teils prekär, oft unsicher, so die Freie Wohlfahrtspflege. Mit einem Aktionstag Sucht Anfang November wollten die Suchtberatungsstellen den Dialog mit der Politik in den Kommunen anstoßen. "Wir brauchen neben der verlässlichen Finanzierung der Suchtberatung auch die Förderung von Präventionsangeboten in Schulen und für Arbeitgeber sowie Angehörigenberatung und Unterstützung von Kindern aus suchtbelasteten Familien", sagt Seiler. Dass die Arbeit schon in normalen Zeiten wichtig ist, zeigen Zahlen des Gesundheitsministeriums. Mindestens zwei Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen haben Alkoholprobleme, und etwa 400000 gelten als alkoholabhängig. Rund 100000 Menschen in Nordrhein-Westfalen weisen ein problematisches oder pathologisches Glücksspielverhalten auf. Mehrere Zehntausend Menschen in Nordrhein-Westfalen sind abhängig von illegalen Drogen.