Talkrunde

Bildung, Geld, Strukturen

Kinder vor einem gescheiterten Leben bewahren

Videoporträt des Projektes "Ein Quadratkilometer Bildung" in Berlin-Neukölln.

Damit es nicht so weit kommt, müsse investiert werden. Ohne Geld, so Buschkowsky, werde sich nichts ändern, denn "in sozialen Brennpunkten brauchen wir multiprofessionelle Fachleute". Seine Erfahrung zeige, dass es nicht ausreiche, auf die Bildungs- und Erziehungskompetenzen der Eltern zu setzen, da diese oft nicht vorhanden seien.

Das hat Katja Urbatsch selbst erlebt. Die Geschäftsführerin der Initiative Arbeiterkind.de ist die erste Frau ihrer Familie, die studiert hat. Ihre Eltern haben sie dabei unterstützt, obwohl sie keine eigene Erfahrung mit dem Studium haben, "aber es gibt Verwandte, die das bis heute nicht verstehen". Heute kümmert sich Urbatsch neben ihrer Promotion mit der Initiative Arbeiterkind.de um Jugendliche, die nicht auf die emotionale oder finanzielle Unterstützung ihrer Eltern setzen können. "Hier müssen andere einspringen, damit wir nicht Talente verschenken", forderte Urbatsch.

Talkgäste auf der BühneDie Talkgäste der ersten Runde (von links): Prof. Dr. Georg Cremer, Heinz Buschkowsky, Katja Urbatsch und Moderator Stahl.DCV Onlineredaktion

Auch Caritas-Generalsekretär Georg Cremer kritisierte in der Talkrunde die "hohe Exklusivität und soziale Ungerechtigkeit des deutschen Bildungssystems". Hochschulen seien schlecht vorbereitet für junge Menschen, die nicht aus dem Bildungsbürgertum kommen. Cremer plädierte dafür, Eltern und das soziale Umfeld zu stärken, damit auch Kinder aus prekären Lebenszusammenhängen eine Chance auf eine gute Bildung erhalten.

Die vererbte Bildungsarmut erlebt Neuköllns Bezirksbürgermeister täglich. "Ich habe Angst um diese Kinder, weil sie schon in der dritten Klasse vor einem gescheiterten Leben stehen, wenn wir nichts tun". Ziel müsse sein, "wieder mehr Kinder aus der Unter- in die Mittelschicht zu führen. Deshalb bin ich für eine Kindergartenpflicht und die Ganztagesschule." Jugendliche bräuchten Soft-Skills, die ihnen in ihren Elternhäusern nicht vermittelt würden, betonte Buschkowsky. Er lehne es ab, die Verantwortung immer auf andere zu schieben - frei nach dem Motto: Wenn mein Kind nicht lesen kann, ist der Lehrer schuld. Buschkowsky machte allerdings klar, dass er nicht mehr bereit sei, auf Eltern zu setzen, die jede Form der Hilfe für sich abgelehnt haben.