Kommentar

Caritas in NRW – AKTUELL

Keine coronafreien Inseln

Porträt: Dr. Frank Johannes HenselDr. Frank Johannes Hensel

Tatsächlich leben in den Einrichtungen viele sehr betagte Menschen, häufig mit Vorerkrankungen. Sie bestmöglich zu schützen, ist das Bestreben aller in der Betreuung und Pflege tätigen Kräfte. Und sehr wichtig ist zugleich, die Bewohnerinnen und Bewohner vor sozialer und seelischer Isolation zu bewahren. Die rigorose Unterbindung von Besuchskontakten kann deshalb kein dauerhaftes Instrument im Kampf gegen das Virus sein. Es gilt, eine gute Balance zu finden zwischen Infektionsschutz und dem zutiefst menschlichen Bedürfnis nach vertrauter, persönlicher Begegnung.

Bis ein Impfstoff gefunden ist, lässt sich das Infektionsrisiko zwar eingrenzen, jedoch nie ganz ausschließen. Indem es gelingt, die Ausbreitung des Virus möglichst überall abzubremsen, schützen wir das Gesundheitssystem vor einer akuten Überlastung. Dann haben alle Menschen in Deutschland die Chance auf eine optimale Behandlung.

Wenn das so stimmt - und davon bin ich überzeugt -, dann gilt dies also für jede und jeden von uns und alle in den Pflegeeinrichtungen betreuten, gepflegten und begleiteten Menschen. Somit muss uns klar sein: Pflegeeinrichtungen, Wohngruppen für Menschen mit Behinderung, Flüchtlingsunterkünfte und Wohnungslosenzentren sind vor dem Corona-Virus nicht sicher abschirmbar. Es können auf Dauer keine coronafreien Inseln inmitten der Bevölkerung geschaffen und gehalten werden, ohne diese hermetisch von der Außenwelt abzuriegeln. Die Tatsache, dass es zu Infektionen auch in Gesundheitseinrichtungen und sozialen Diensten kommen wird, ist dabei kein schuldbeladener Prozess, sondern eine Folge der Virusausbreitung.

Wann immer wir nun über geschützte Besuchsmöglichkeiten und Beratungskontakte sprechen, muss allen klar sein, dass es um eine verantwortungsvolle und gewollte Öffnung geht und damit auch um eine Erhöhung von Infektionsrisiken. Selbstverständlich sind vorhandene Testmöglichkeiten für alle Beteiligten vorauszusetzen, genauso wie ausreichend Schutzmaterialien. Auch technische Kommunikationsmittel sind sehr hilfreich und werden kreativ eingesetzt - und doch geht es hier um die persönliche Begegnung mit Verwandten, Freunden und Klienten.

Klar ist dabei, dass diese Begegnungen reguliert nach Hygieneplänen in Absprache mit örtlichen Behörden erfolgen. Dadurch wird das Infektionsrisiko etwas steigen, ohne jedoch gleichzeitig das Versagen von Organisationen und Personen zu markieren. Diese Sichtweise ist hilfreich, um den Hilfesuchenden in den Beratungsstellen und den Bewohnerinnen und Bewohnern in den caritativen Wohneinrichtungen wieder mehr Begegnungen von Mensch zu Mensch ermöglichen zu können.

vorsitzender@freiewohlfahrtspflege-nrw.de