Eröffnung der Europäischen Freiwilligenuniversität in Rolduc: Melanie Wielens vom Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln im Gespräch mit Dr. Frank Johannes Hensel, Direktor des Diözesan-Caritasverbandes für das Erzbistum Köln, Dr. Eugen Baldes, Leiter der Arbeitsstelle Gemeindecaritas beim Deutschen Caritasverband, und Prof. Dr. Peter Berker, Rektor der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (v. r.)Christian Heidrich
Aachen/Rolduc - Bürgerschaftliches Engagement grenzt sozial Benachteiligte aus. Das sagte Prof. Dr. Chantal Munsch am Mittwoch (10. September) bei der Europäischen Freiwilligenuniversität in Rolduc. Nach Angaben der Wissenschaftlerin, die an der Universität Siegen den Lehrstuhl für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik innehat, seien es vor allem Menschen mit höheren Schulabschlüssen und einem guten Erwerbseinkommen, die sich freiwillig engagierten. Diese Gruppe glaube, dass sie offen für alle Menschen sei. Aber sie sei es nicht. Als eine Ursache machte die Professorin nach eigenen Untersuchungen die Sprache aus. Freiwillig Engagierte aus niedrigeren Schichten redeten anders als die Gruppe der Engagierten aus der Mittelschicht. Diese pflege untereinander eine Sprache, die Munsch mit ineinandergreifenden Zahnrädern verglich. Wer diese Sprache nicht spreche, sei außen vor. Die Professorin sagte, es sei schwierig, den Konflikt der unterschiedlichen Sprachen zu lösen. Die Kommunikation, das Gesprächsklima und die Art, wie Konflikte bearbeitet würden, spielten unter anderem eine Rolle. Sie empfahl, bei ehrenamtlichem Engagement vorsichtig zu sein mit dem Versprechen, dass jeder gebraucht werde. Solange es keine Lösung gebe für die Ausgrenzung bestimmter Gruppen beim bürgerschaftlichen Engagement, sollte man dieses Versprechen nicht geben.
Am Dienstagabend hatte der Rektor der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Prof. Dr. Peter Berker, die 7. Europäische Freiwilligenuniversität in Rolduc eröffnet. Die Katholische Hochschule ist mit Caritas in NRW, dem Zusammenschluss der Caritasverbände der fünf nordrhein-westfälischen (Erz-)Bistümer, Veranstalter dieses Kongresses. Er richtet sich an Studierende, Fachkräfte aus der Praxis und engagierte Bürger und steht unter dem Thema "Bürgerschaftliches Engagement: Verantwortung für Demokratie und gesellschaftliche Teilhabe". Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, hat die Schirmherrschaft übernommen.
Prof. Dr. Chantal Munsch von der Universität Siegen bei ihrem Vortrag in RolducChristian Heidrich
Berker sagte bei der Eröffnung, Teilhabe sei ein zentraler Begriff in der sozialen Arbeit. Es komme darauf an, denjenigen Chancen zu geben, die das aus eigener Kraft nicht mehr schafften. Große Bedeutung komme dabei der Kooperation von Haupt- und Ehrenamtlern zu. Eine Gesellschaft könne ohne ehrenamtliches Engagement nicht existieren.
Dr. Frank Johannes Hensel, Direktor des Diözesan-Caritasverbandes für das Erzbistum Köln, sagte, die Caritas beteilige sich an der Europäischen Freiwilligenuniversität, weil sie sich als Solidaritätsstifter verstehe. Zudem habe sie eine anwaltschaftliche Funktion, auch für ehrenamtlich Engagierte. Um diese Funktion übernehmen zu können, bedürfe es immer wieder der Diskussion und Reflexion. Dazu gehöre auch, das eigene Handeln in Frage zu stellen. "Dafür brauchen wir Sie, die jungen Leute", sagte Hensel an die Studierenden gewandt, die sich zur Freiwilligenuniversität angemeldet haben. 120 Personen besuchen noch bis Freitag die Veranstaltungen des Kongresses.
Dr. Theo Boven, Gouverneur der niederländischen Provinz Limburg, erinnerte bei der Eröffnung daran, dass die Europäische Freiwilligenuniversität in Aachen und Rolduc die erste sei, die binational angelegt sei. In der Region merke man keine Grenze mehr, vielmehr gehe es um Verbindungen. Er erwarte von der Europäischen Freiwilligenuniversität einen Dialog von unten. Bernd Neuendorf, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport, sagte, Menschen lebten Demokratie, wenn sie sich für das verantwortlich fühlten, was in ihrem Umfeld passiere. Solches Engagement machten nur demokratische Gesellschaften möglich. Die Aufgabe des Staates und der Politik sei es, dazu beizutragen, dass bürgerschaftliches Engagement wachsen könne.
Bei der von Melanie Wielens vom Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln moderierten Eröffnung stellten auch bürgerschaftlich Engagierte aus Deutschland, den Niederlanden und Spanien ihre Projekte vor und formulierten ihre Erwartungen an die Freiwilligenuniversität. Diese geht am Freitag mit einer öffentlichen Veranstaltung im Forum M in Aachen zu Ende. Zu dieser wird auch der frühere Präsident des Europäischen Parlaments, Prof. Klaus Hänsch, nach Aachen kommen.