Kommentar
Altersarmut
Die Rente muss zum Leben reichen
[Dez. 2021] - Bis zum Überdruss taucht in Abhandlungen zum Thema "Armut in Deutschland" immer wieder das Ruhrgebiet als Problemregion Nummer 1 auf. Einfache Lösungen gibt es nicht. Aber ein paar gute Ansätze und Ideen. Am Anfang steht die Bestandsaufnahme.
Cordula Spangenberg
Wie viele Jahre liegen die Probleme schon auf dem Tisch und werden nicht besser, sondern konstant schlechter! Das Statistische Bundesamt weist zwischen 2006 und 2019 für das Ruhrgebiet einen Anstieg der Armutsquote um 36 Prozent nach - in ganz Deutschland waren es 14 Prozent. Am schlimmsten trifft es die Region Duisburg/Essen mit einem Anstieg um 48 Prozent. Dass die Armut alter Menschen überdurchschnittlich zum Abwärtstrend beiträgt, ist ebenfalls kein Geheimnis. Der Paritätische Armutsbericht analysiert für das Jahr 2019, die stärkste, sehr kontinuierliche und im Trend dramatische Zunahme von Armut in der Metropolregion Ruhr mit ihren 5,8 Millionen Menschen sei bei Rentnern und Pensionären festzustellen, deren Armutsquote in den genannten 13 Jahren von zehn auf 17 Prozent gestiegen sei.
Das liegt zum großen Teil an den steigenden Mieten. "Etwa zwei Drittel aller älteren Miethaushalte müssen mindestens 30 Prozent des Einkommens für Miete aufwenden. Bei älteren Frauen ab 65 Jahren entfallen sogar 35 Prozent des Einkommens auf die Miete", rechnet die Freie Wohlfahrt in einem Beitrag zum Sozialbericht NRW 2020 vor.
Was ist zu tun? Die Malteser in Gelsenkirchen gehen das Problem praktisch an, schreiben gemeinsam mit der Stadtverwaltung alle Älteren an und schicken auf deren Wunsch geschulte Ehrenamtliche ins Haus. Die berichten den alten Menschen, welche Möglichkeiten es im Stadtteil gibt, unter Leute zu kommen, ein Seniorencafé oder die Sitztanzgruppe zu besuchen, und sie informieren über leicht zugängliche Beratungsangebote bei finanziellen Schwierigkeiten. Aktiv werden müssen die Senioren dann aber selbst, so verlangt es der Datenschutz. "Vielen Älteren fällt es schwer, über ihre Armut zu sprechen", sagt Malteser Moritz Bott.
Das Zusammenleben in der Stadt profitiert von Initiativen wie dieser in Gelsenkirchen. Will man grundsätzlich die Lebensbedingungen alter Menschen verbessern, braucht man einerseits gute Abstimmungen zwischen kommunaler Sozialplanung, menschenwürdigem, bezahlbarem Wohnraum und den Angeboten der Wohlfahrt. Andererseits fordert die Caritas gemeinsam mit anderen Freien Trägern schon lange vom Bund eine Alterssicherungspolitik, die diesen Namen verdient. Die Rente muss zum Leben reichen.
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