Caritas in NRW – AKTUELL

1/2016

Betreuungsvereine weiter gefährdet

Eine junge Frau wird von einer Mitarbeiterin der Caritas beratenOppitz / KNA

Wer krank ist und sich nicht mehr um seine eigenen Angelegenheiten kümmern kann, bekommt einen rechtlichen Betreuer an die Seite - die meisten davon Ehrenamtliche. Unterstützt und beraten werden diese von Betreuungsvereinen mit beruflichen Betreuern. "Doch dieses vom Gesetzgeber gewollte System der Betreuungsvereine steht vor dem Kollaps", warnt Heike Deimel vom Diözesan-Caritasverband Paderborn. Sieben Betreuungsvereine in NRW haben bereits aufgegeben und sich aufgelöst, einer davon im Erzbistum Paderborn. "Auch die übrigen 27 Betreuungsvereine im Erzbistum Paderborn haben zu kämpfen", sagt Heike Deimel. 90 Prozent schreiben rote Zahlen. Darauf weisen die Betreuungsvereine seit Jahren immer wieder hin.

Die jüngste Erhöhung der Förderung dient vor allem den Querschnittsaufgaben der Betreuungsvereine, also der Unterstützung der Arbeit der ehrenamtlichen Betreuer. "Das ist ein erster Schritt in die von uns geforderte Richtung", sagt Deimel. Doch um auskömmlich finanziert zu sein, müsste das Land weitere 2 Millionen Euro aufstocken. Mit der jetzigen Erhöhung soll jeder anerkannte Betreuungsverein in NRW 6000 Euro zusätzlich erhalten, damit könne man keine Stellen sichern.

Es gibt eine zweite Finanzierungsstellschraube, die ebenfalls seit Jahren "festgerostet" ist. Denn die Mitarbeiter der Betreuungsvereine übernehmen in oft schwierigeren Fällen selbst gesetzliche Betreuungen. Diese werden nach festgelegten Pauschalen und nach einem komplizierten Bewertungsschlüssel vergütet. Beides wird bislang nicht angerührt.

So ist die Empörung bei vielen Betroffenen inzwischen groß: In einem Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft verweist Michael Gebauer, Geschäftsführer des SkF Hagen, der Träger eines Betreuungsvereins ist, auf eine "erhebliche Schieflage" in der Finanzierung: "Seit mehr als zehn Jahren werden unsere Vereinsbetreuer ohne jegliche Anpassungen mit dem gleichen Stundensatz vergütet. Darin sind ebenso alle Nebenkosten enthalten, wie Mieten, Fahrzeug, EDV, weitere Bürotechnik, aber auch Verwaltungsmitarbeiter." In den zehn Jahren seien die Preise jedoch um 15,7 Prozent und die Personalkosten gar um 25 Prozent angestiegen. Der Betreuungsverein des SkF Hagen habe deshalb bereits die Mitarbeiterzahl reduzieren müssen, da der Eigenanteil für diese Arbeit nicht mehr zu stemmen gewesen sei, schreibt Michael Gebauer an die Ministerpräsidentin. "Eine Antwort zur Zukunft unseres Betreuungsvereins steht noch aus. Aber wer wird die Betreuungen und damit auch die Beratung in unserer Stadt weiterführen?"

Bei einem Teil der Finanzierung ist also der Bund als Gesetzgeber verantwortlich. Doch der verweise darauf, dass eine Anpassung und die zukünftige automatische Angleichung an die allgemeinen Kosten nur mit Zustimmung der Länder durchgeführt werden könnten und dort das Problem liege. "Unsere Betreuungsvereine benötigen dringend Ihre Unterstützung", appelliert Gebauer an die Ministerpräsidentin. "Ich wünsche mir, dass unser Land NRW die Initiative ergreift und mit den übrigen Landesregierungen einen Fahrplan für eine Vergütungserhöhung zugunsten der gesetzlichen Betreuung erarbeitet." Bis zu einer endgültigen Entscheidung müsse es darüber hinaus schon jetzt zu einer Anhebung der Betreuungsentgelte kommen. Denn: "Es brennt inzwischen in vielen Betreuungsvereinen."

Doch vor einer Anhebung der Pauschalen will der Bund nun erst einmal Wirkungsweise und Finanzierung des gesamten Betreuungswesens analysieren. Dazu wird ein Forschungsprojekt ins Leben gerufen. Bis es abgeschlossen und evaluiert ist und die Politik die nötigen Schlüsse gezogen hat, wird viel Zeit vergehen, das ist absehbar. Bis dahin werden weitere Vereine aufgegeben haben.

In NRW gibt es noch rund 190 Betreuungsvereine. Die Mitarbeiter kümmern sich um etwa 300000 Menschen, die unter rechtlicher Betreuung stehen und ihre Rechtsgeschäfte nicht mehr selbstständig bearbeiten können.