Frau K. erzählt:
Seit wann sind Sie Pflegemama?
Seit Sommer 2018 stehe ich als Pflegestelle zur Verfügung. Ich habe seither bereits 4 Mädchen aufgenommen.
Als erstes Kind habe ich ein fünfjähriges Mädchen als Urlaubsvertretung, befristet für 5 Wochen, bei mir aufgenommen. Dann kam ein damals 1,5 Jahre altes Mädchen dazu. Sie lebte für 14 Monate bei mir. Danach wurde sie zu einer Pflegefamilie auf Dauer vermittelt.Im November nahm ich noch ein einjähriges Mädchen auf. Es folgte im Sommer 2019 das neugeborene Geschwisterkind eines der Mädchen.
Was hat Sie bewegt Pflegemama zu werden?
Seit längerem hatte ich mich schon um meine beiden Enkel gekümmert. Mit Kindern Zeit zu verbringen und sich mit ihnen zu beschäftigen, hat mir immer Freude bereitet. Inzwischen gab es Veränderungen in meiner Arbeitswelt. Ich konnte schon sehr früh in Altersteilzeit gehen. Da ich immer aktiv gewesen bin wollte jetzt etwas tun, was mir Spaß macht. Mein Leben wollte ich noch intensiv nutzen, so lang ich gesund bin.
Über das Thema Pflegekinder habe ich viel gelesen. Ich habe mich umfassend informiert. Natürlich hatte ich wegen meines Alters bedenken. Diese wurden mir aber im Beratungsgespräch bei der Caritas genommen.
In meinem Bekanntenkreis habe ich oft Dienste als Babysitterin übernommen. Das hat mir viel Freude gemacht. Meinem Wunsch nach einer Aufgabe mit und für Kinder wurde dadurch immer mehr gefestigt. Recht schnell stand für mich fest: Ich wollte es einfach probieren.
Was mögen Sie an ihren Mädchen besonders?
Jeden Tag lachen sie mich an. Ich hatte viel Glück mit allen 3 Kindern. Sie sind alle liebe, hübsche Mädchen, "Traumkinder" eben. Sie sind einfach goldige Kinder.
Das 1,5-jährige Mädchen konnte noch nicht laufen, als sie zu mir kam. Es dauert lange bis sie laufen konnte. Nach 7 Monaten klappten die ersten Schritte. Das war einfach schön zu erleben. Mit jedem ihrer Fortschritte gehe ich positiv um.
Pflegeeltern müssen viel Geduld haben. Ich bin dankbar, dass ich noch ein Baby aufnehmen konnte. Es kommen mir die Tränen, wenn ich davon erzähle. Es berührt mich sehr.
Ich bin so dankbar, dass es so ist. Mein Tag ist sinnvoll ausgefüllt. Die Kinder geben mir viel zurück. Es ist so eine Gegenseitigkeit. Wir profitieren voneinander.
Wie hat ihr familiäres und soziales Umfeld darauf reagiert, dass Sie Pflegekinder aufgenommen haben?
Die Reaktion war überwiegend positiv. Bei einige war das nicht so. Sie haben eine negative und egoistische Einstellung. Man verliert Freunde, aber man gewinnt auch neue Bekannte dazu. (z.B. andere Pflegeltern) Ich hatte im Vorfeld damit gerechnet, dass nicht alle damit einverstanden sind. Manche kann man davon überzeugen, wenn sie die Kinder erst einmal miterleben.
Wie gestaltet sich der Kontakt und Umgang mit den leiblichen Eltern der Kinder?
Ich hatte von Anfang an keine Vorurteile ihnen gegenüber. Manchmal läuft das Leben eben blöd. Die eine Mama hat einen Mann kennengelernt und ist durch ihn auf die falsche Bahn gekommen.
Die Eltern eines Mädchens haben sich selber beim Jugendamt gemeldet und um Hilfe gebeten. Davor habe ich großen Respekt. Mir ist ein fairer und respektvoller Umgang ganz wichtig. Ich möchte keinen Streit mit den Eltern der Mädchen. In den Zeiten bis zum nächsten Umgang schicke ich den Eltern Bilder, reagiere auf deren Fragen und berichte, was ihre Kinder so machen.
Der regelmäßige Kontakt meiner Pflegekinder mit ihren leiblichen Eltern ist mir sehr wichtig. Die Art und Weise der Umgänge wird vom Jugendamt bestimmt. Mit einem meiner Mädchen haben wir nur begleiteten Umgang, der findet immer im Jugendamt statt.
Zeigen die Eltern Interesse und sind immer zum Umgang da, kann man die Treffen frei mit den Eltern gestalten. Die Umgänge sind dann zwanglos und für alle Beteiligten ein schönes Erlebnis.
Was empfinden Sie als die größte Veränderung in ihrem Leben seit der Aufnahme der Kinder?
Mein Tagesablauf und meine Wohnungseinrichtung, alles ist wieder auf kleine Kinder umgestellt. Im Garten steht wieder eine Schaukel. Alles wieder von vorne. Es muss passen und praktisch sein. Alles für die Pflegekinder. Ich verzichte auf viel Freizeit. Meine eigenen Termine müssen gut geplant werden. Es ist eine Bereicherung für mein Leben.
Wie gehen Sie mit dem Gedanken um, Kinder wieder abzugeben?
Ich habe mich so an die Kinder gewöhnt. Der erste Weggang war echt hart. Ich war in Tränen aufgelöst. Es war der schlimmste Tag in meinem Leben. Ich bin gleich mit den beiden kleinen Mädchen, meiner Enkelin und deren Freundin in den Urlaub gefahren und war so etwas abgelenkt.
Die neuen Pflegeltern haben mir in meinem Abschiedsschmerz geholfen. Zum Glück kann ich mit der Kleinen noch regelmäßig im Kontakt bleiben. Die Geschwister sollen sich ja kennen. Zuvor habe ich für die Kleine ein Fotobuch gemacht. Dabei habe ich nur geheult.
Mir war wichtig, dass sie später eine Erinnerung an diesen Lebensabschnitt hat. So kann sie ihren Kindern das Buch zeigen, wie sie als kleines Mädchen und ihre Pflegemama ausgesehen haben. Und vielleicht bleibt damit auch eine Erinnerung an mich bestehen.
Bei jedem Kind wird es dasselbe sein. Es ist ein Schmerz. Es ist immer wie ein bisschen sterben. Ich habe es gewusst, sagt der Verstand. Aber ich habe auch ein Herz und Gefühle, zu denen ich stehe. Der Schmerz gehört dazu. Er zeigt einfach die Seite der Menschlichkeit.
Was möchten Sie interessierten Menschen zur Ermutigung sagen?
Wenn man wirklich Pflegeeltern werden will, dann nicht so lange überlegen, sondern einfach losgehen. Die Schulung war sehr wichtig für mich. Dort lernt man Pflegeeltern kennen, kann ihnen Fragen stellen und kommt mit Ihnen in Kontakt. Ich habe meine Entscheidung nicht auf die lange Bank geschoben. Ich bin halt so.
Welchen Eigenschaften oder Kompetenzen sind aus ihrer Erfahrung heraus hilfreich, um Pflegeeltern werden zu können?
Es braucht Geduld - ganz viel Geduld - mit allem eigentlich. Tolerant sein - um mit den Eltern der Kinder umgehen zu wollen. Ich verurteile Sie nicht. Ich nehme sie wie sie sind. Ich will keinen Streit, sondern ein gutes Verhältnis, im Sinne der Kinder. Sie sind und bleiben die Eltern meiner Mädchen.
Mit den Defiziten der Kleinen muss man klarkommen. Man muss ihnen Zeit lassen, damit sie sich in ihrem Tempo entwickeln. Ich vergleiche die Kinder nicht mit anderen Gleichaltrigen. Dadurch entsteht nur Druck. Ich gebe jedem Kind die Zeit, die es braucht. Es ist halt so.
Wenn Sie es noch einmal entscheiden könnten, würden Sie sich heute wieder für eine befristete Pflegschaft engagieren?
Altersbedingt hatte ich keine Wahl für eine andere Pflegschaftsform. Ich würde mich wieder dafür entscheiden. Ich habe eine schöne Zeit mit den Kindern. Es ist meine Lebenszeit, die ich jeden Tag sinnvoll verbringen kann.
Ich bin super glücklich über meine Entscheidung als Pflegemama zu leben.
Erfahrungsbericht von Frau K.
(befristeten Vollzeitpflege)
Stand: April 2020