Caritas in NRW – AKTUELL

APG-DVO

Bedingt funktionsfähig

Porträt: Dr. Albert EvertzDr. Albert Evertz leitet den Bereich Wirtschaft und Statistik beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln.

Caritas in NRW: Im Oktober 2014 hat der Landtag fast einstimmig ein Gesetzespaket verabschiedet, in dem die Pflege-Infrastruktur für NRW neu geregelt wurde. Sie haben damals gewarnt, dass das neue Gesetz die Situation der stationären Pflegeeinrichtungen der Caritas erheblich erschwere, weil die Finanzierung schwieriger werde. Wie stellt sich das heute dar?

Dr. Albert Evertz: Wir haben die erste Phase der Umsetzung des Gesetzes jetzt hinter uns. Die angeschlossenen Träger haben alle ihre Anträge nach neuem Recht auf Feststellung und Festsetzung der neuen Investitionskosten meist fristgerecht zum 31.10.2015 gestellt. Dabei wurden dann schon die zwei großen Problemkreise des neuen Rechts sichtbar. Die Träger, die Eigentümer ihrer Einrichtung sind (und das ist das Gros unserer Caritaseinrichtungen), müssen vollständige Angaben zu den Ursprungskosten der Erbauung der Pflegeeinrichtung machen sowie zum Verlauf von Umbauten, Modernisierungen etc. und deren Kosten. Das ist ungeheuer aufwendig und schwierig, weil die Verläufe komplex sind und die Nachweisunterlagen teilweise nicht mehr vorhanden sind. Trotz alldem haben die Träger dies durchgängig bewältigt und abgeschlossen. Das hat jedoch schon einen erheblichen Aufwand an Zeit und Geld verursacht.

Caritas in NRW: Und was ist das zweite große Problem bei der Umsetzung?

Dr. Albert Evertz: Das ist der Zwang des Gesetzes, die Angaben und Berechnungen über das landesweit vorgegebene EDV-System vorzunehmen. Das System hat erhebliche Umsetzungsprobleme und ist nur bedingt funktionsfähig. Sowohl die Träger wie auch die Landschaftsverbände als zuständige Behörden ringen mit den Problemen. Die Lösungen müssen landesweit laufend zentral eingearbeitet werden, und das funktioniert nur sehr umständlich. Das hat bereits dazu geführt, dass im letzten Jahr die Eingabefrist nach dem Gesetz durch das Ministerium verlängert werden musste, weil sonst schon die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben gescheitert wäre.

Caritas in NRW: Die Spitzenverbände waren in der eigentlich unmöglichen Situation, die Einrichtungen zur Mithilfe und Eingabe ihrer Daten in das EDV-System veranlassen zu müssen, ohne ihnen sagen zu können, welches Ergebnis nachher daraus zu erwarten ist?

Dr. Albert Evertz: Das ist nach wie vor der Fall. Wir kennen die Berechnungsformeln nicht und können nur durch eigene Annahmen zur Berechnung unter Interpretation der Vorschriften ein mögliches Ergebnis ermitteln. Jetzt sind die Landschaftsverbände am Zug. Die Träger haben ihre Daten geliefert, und die Landschaftsverbände müssen diese nun bewerten und die Berechnungen anstellen.

Caritas in NRW: Wie funktioniert das System? Können die Träger jetzt mit Zuwendungsbescheiden nach dem neuen Recht rechnen?

Alte Dame und junge PflegerinKNA / Oppitz

Dr. Albert Evertz: Das ist genau jetzt zum Problem geworden. Da das EDV-System nach Auskunft der Verantwortlichen noch nicht für die Berechnung nutzbar ist und zudem aus Sicht der Landschaftsverbände erhebliche Unklarheiten zu den eingegebenen Zahlen bestehen, die einer Abklärung bedürfen, können bis auf Weiteres keine Bescheide ergehen.

Caritas in NRW: Wie wirken sich diese bürokratischen Hemmnisse auf den Alltag in den Altenheimen aus?

Dr. Albert Evertz: Der ganze Zeitplan der gesetzlichen Umstellung wird hinfällig. Die Einrichtungen hätten jetzt Mitte Mai die Bewohner über die neuen Investitionsbeträge unterrichten müssen, um dann ab 1.7. dieses Jahres weiter abrechnen zu können. Per Gesetz wären die bisher noch gültigen Bescheide zur Abrechnung zum 1.7.2016 ungültig und durch neue ersetzt worden. Das ist jetzt unmöglich.

Caritas in NRW: Und wie geht es nun weiter?

Dr. Albert Evertz: Die Lösung muss jetzt durch eine weitere Verlängerung der gesetzlichen Fristen geschaffen werden und ist in einem ersten Schritt durch das Ministerium erfolgt. Alle alten Bescheide bleiben nun bis zum 31.12.2016 in Kraft. Das ist aber nur ein Teil der Lösung. Die Landschaftsverbände können keine Garantie geben, dass sie eine rechtssichere Bescheidung für alle Träger in NW zum Jahresende schaffen. Um den Zeitraum darüber hinaus zu erweitern, soll durch eine Änderung der DVO, die der Zustimmung des zuständigen Landtagsausschusses bedarf, für einen gewissen Zeitraum in 2017 die Möglichkeit eingeräumt werden, auch noch rückwirkende Festsetzungen auf den 1.1.2017 vorzunehmen. Es ist aber nach allen bisherigen Erfahrungen nicht sicher, ob dies ausreichend ist, um die Umsetzung des neuen Rechtes zu erreichen. Der Landtagsausschuss muss jetzt entscheiden, ob er dieser Lösung folgen will oder ob doch noch einmal eine Änderung der Gesetzeslage erforderlich ist.

Caritas in NRW: Das heißt, die Lage erschwert sich weiter?

Dr. Albert Evertz: Ja, die Träger bleiben weiter im Ungewissen, wir können den Bewohnern und ihren Angehörigen keine verlässlichen Auskünfte über die zukünftigen Kosten geben, Anwendungsprobleme des neuen Rechtes sind nach wie vor nicht ausgeräumt, und es ist keinesfalls sicher, ob das Recht überhaupt dauerhaft praktikabel ist.

Das Interview führte Markus Lahrmann.



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